Bolivien Partnerschaft
Schon fast die Hälfte des Freiwilligendienstes ist vorbei – Noelia berichtet von ihren Erfahrungen
Du wohnst nun seit fünf Monaten in Winsen. Hast du dich gut eingelebt?
Ja, sehr gut. Die Wohnung ist sehr gemütlich; die Gegend, in der ich wohne, liegt ganz in der Nähe der Orte, die ich gerne in meiner Freizeit aufsuche, wie z. B. Supermärkte oder das Stadtzentrum. Ich habe das Gefühl, dass ich mich schnell an die Art und Weise, wie hier alles gehandhabt wird, gewöhnt habe.
Wie sieht ein normaler Tag von dir aus?
Morgens stehe ich gerne früh auf, damit ich mich in Ruhe fertig machen und frühstücken kann, bevor ich zur Arbeit fahre. Den ganzen Vormittag und einen Teil des Nachmittags bin ich im Kindergarten, der mein Projekt ist.
Wenn ich nach Hause komme, koche ich gerne eine Kleinigkeit und mache dann irgendeine Aktivität, wie z.B. Makramee, Deutsch lernen, lesen, eine Fahrradtour oder spazieren gehen.
Was waren deine Höhepunkte der letzten Wochen?
Einer der Höhepunkte war das Green Breakfast in der Winsener Innenstadt, das ich mit dem Umweltteam und den Parents for Future organisiert habe. Hier ging es darum aufzuzeigen, wie wir z.B. durch die Nutzung von Fahrrädern einen Beitrag zum Umweltschutz leisten können. Auch die Beteiligung mit einem Altar an der Fronleichnamsprozession war mir sehr wichtig. Ich habe mich gefreut, dass ich dort zeigen konnte, wie wir dieses Fest feiern. Und nicht zu vergessen sind meine Reisen quer durch Deutschland, die ich so sehr mag.
Du bist sicher mit bestimmten Erwartungen und Vorstellungen nach Deutschland gekommen. Was hat dich hier am meisten überrascht?
Am meisten überrascht hat es mich, wie organisiert die Menschen hier sind - von den alltäglichen Dingen zu Hause bis hin zu zukünftigen Aktivitäten und Planungen. Ich sehe, dass dieses Organisationsdenken Teil der deutschen Kultur ist, und deshalb funktioniert es so gut. Es ist beeindruckend, wie sich jeder daran hält und dazu beiträgt, dass es funktioniert. In Bolivien gibt es z.B. auch Fahrradwege, aber Auto- und Motorradfahrer respektieren sie nicht. Aus diesem Grund habe ich mich nie sicher genug gefühlt, um dort Fahrrad zu fahren. In Winsen genieße ich es sehr, mit dem Fahrrad zu fahren, um Erledigungen zu machen, die Natur zu genießen und den Kopf frei zu bekommen. Außerdem habe ich das Gefühl, so einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.
Gibt es etwas, was du sehr vermisst?
Ich vermisse die Nachmittage mit meiner Familie, an denen wir zusammensitzen und Tee trinken, uns gegenseitig erzählen, wie der Tag war und gemeinsam einen Film oder eine Serie anschauen. Ich vermisse auch die Gesellschaft meines Hundes ¨Sami¨, mit ihr zu spielen oder mit ihr spazieren zu gehen.
Was sind deine Pläne für die kommenden Monate?
In den kommenden Monaten möchte ich mehr Zeit mit den Mitgliedern der Gemeinde verbringen und mehr über ihre Kultur erfahren. Ich möchte auch reisen und neue Orte in und außerhalb von Deutschland kennenlernen.
Ich lade alle ein, an den Aktivitäten teilzunehmen, die ich als Freiwillige in den kommenden Monaten anbiete, sodass wir uns kennenlernen und Sie und ihr ein Teil dieses kulturellen Austauschs werdet:
- Feier des Festes La Santa Anita am Sonntag, 25. August nach dem Gottesdienst
- gemeinsames digitales Kochen mit der Pfarrei San Martin de Porres in Tarija (Termin wird noch bekannt gegeben)
- Einladung zu einem meiner Makramee-Kurse, die in den Monaten Oktober und November stattfinden werden. Für diese Kurse bitte ich um Anmeldung an folgende Mailadresse: bolivienarbeitskreis
(ät)guter-hirt-winsen.de oder persönlich bei mir, damit ich besser planen kann.
Eure Noelia
„Ich möchte, dass diese Partnerschaft niemals endet“ - Interview mit unserer Freiwilligen Joselyn Yevara
Mittlerweile ist Joselyn seit fünf Monaten in Deutschland. Franz Schaffeld befragte sie nach ihren ersten Erfahrungen in Deutschland und ihren Wünschen.
FS: Was war dein erster Eindruck nach deiner Ankunft in Deutschland?
JY: Unter den ersten Eindrücken, die ich hatte, als ich hier ankam, war, dass es ein sehr sicheres Land ist, da es keine großen Zäune gibt. Es ist ordentlich, tolerant und Radfahrer und Passanten werden sehr respektiert. Es gibt viele Regeln und man fühlt sich verpflichtet, sich um die Umwelt zu kümmern (durch das Recycling zu Hause, Pfandmaschinen, die Nutzung von Fahrrädern usw.).
FS: Was ist der größte Unterschied zu deinem Leben in Bolivien?
JY: Der größte Unterschied hier ist, dass ich lerne, alleine zu leben, bei mir zu sein und mich selbst ein bisschen besser kennenzulernen sowie meine Ressourcen zu verwalten, um den ganzen Monat abdecken zu können.
FS: Gibt es etwas, was dir außer der Sprache am Anfang schwer gefallen ist?
JY: Es war gewöhnungsbedürftig, mich an andere Geschmacksrichtungen in Bezug auf das Essen zu gewöhnen - verschiedene Kombinationen, an die ich vorher nicht gedacht hätte. Und obwohl das Essen hier nicht schlecht schmeckt, vermisse ich wirklich die Aromen meines Landes. Im Winter sind die Tage sehr kurz und es war anfangs schwer, wach zu bleiben, wenn es früh draußen dunkel ist. Es ist auch eine Herausforderung, mich an die Kälte zu gewöhnen, aber es geht mir immer besser.
FS: Wie geht es dir bei deinem Praktikum in der Kita?
JY: Im Kindergarten fühle ich mich sehr wohl und ich bin gerne mit den Kindern und meinen Kolleginnen zusammen. Es gibt gute Tage und weniger gute, aber am Ende des Tages haben sie mir immer etwas Neues beigebracht. Auch das habe ich entdeckt, dass ich mehr Geduld habe als ich dachte.
FS: Welche Wünsche hast du für deine Zeit in Deutschland?
JY: Ich würde gerne reisen und neue Orte und mehr von der Geschichte kennenlernen. Außerdem möchte ich noch mehr Deutsch lernen können. Und ich würde sehr gerne mit Foodsharing weiter Essen retten und vielleicht irgendwann einen Fairteiler in unserer Gemeinde einrichten.
FS: Was wünschst du dir für die Partnerschaft zwischen Winsen und Tarija?
JY: Ich möchte, dass diese Partnerschaft niemals endet, um in der Lage zu sein, neue Menschen zu begeistern, die daran interessiert sind, diese Freundschaft zu stärken. Ich wünsche mir, dass es möglich sein wird, mehr Freiwillige in unserer Gemeinschaft zu haben, damit sie diese Freiwilligenerfahrung leben können.
FS: Was gefällt dir an Deutschland?
JY: Ich denke, dass Deutschland ein Land ist, das sehr reich an Kultur und Geschichte ist. Ich mag die Ordnung und Disziplin auf den Straßen sehr. Und obwohl die Benutzung von Fahrrädern hier normal und täglich ist, war ich sehr überrascht, wie die Menschen dieses Mittel verwenden, um sich schneller fortzubewegen, die Umwelt zu schonen, Geld zu sparen und fit zu bleiben - alles in einem. Auch die Landschaften gefallen mir hier, die Sonnenuntergänge, die verschneiten Tage, das genieße ich wirklich.
Die Comedorkinder sagen DANKE
Viele von Ihnen haben auch im vergangenen Jahr unser Comedor-Projekt (Mittagstisch für Kinder aus sozial benachteiligten Familien) wieder mit einem regelmäßigen Monatsbeitrag oder einer Einzelspende unterstützt. Dafür ein großes Dankeschön an jeden einzelnen von Ihnen.
Nachdem der Comedor 2020 viele Monate komplett geschlossen war, konnten sich vergangenes Jahr die knapp 40 angemeldeten Kinder ihr warmes Mittagessen in Thermobehältern von Montag bis Samstag jeweils auf dem Kirchengelände der Gemeinde San Martín de Porres abholen. In den meisten Fällen arbeiten die Mütter auf dem Mercado Campesino (Bauernmarkt), der nur wenige Gehminuten von der Gemeinde entfernt liegt. Die Kinder verbringen die Zeit vor bzw. nach ihrem Unterricht ebenfalls dort, um zu helfen oder auf jüngere Geschwister aufzupassen. Das frisch gekochte und gesunde Mittagessen ist für diese Familien eine wichtige Konstante. Hierfür zahlen die Kinder 1,50 Boliviano (= € 0,19) pro Mahlzeit.
Auch in Bolivien war und ist der Alltag sehr durch die Corona-Pandemie geprägt. Doña Maria, die Köchin des Comedors, erkrankte im vergangenen Sommer schwer an COVID-19 und war wochenlang nicht arbeitsfähig, sodass in dieser Zeit der Comedor geschlossen bleiben musste.
An Heiligabend feierten die Kinder und ihre Eltern einen Gottesdienst mit Padre Simón. Anschließend wurde gemeinsam zu Mittag gegessen und als Überraschung gab es ein Präsent und eine Tüte mit schönen Naschereien. Kurz vor dem Jahreswechsel erhielten wir die Abrechnung des Comedors für das zurückliegende Jahr.
Die Gesamtausgaben beliefen sich 2021 auf € 5.570. Unser Wunsch ist, in diesem Jahr den Comedor mit € 3.000 zu unterstützen. Den Restbetrag möchte die Gemeinde durch das Essensgeld der Kinder und Eigeninitiative aufbringen. Dank Ihrer Unterstützung konnte dieses wichtige Projekt fortgeführt werden.
Padre Simón bittet ebenfalls darum, diesen Dank im Namen aller Comedorkinder und ihrer Familien an Sie weiterzugeben. Wir würden uns freuen, wenn Sie auch 2022 diese Einrichtung unterstützen können.
Für Ihre Spende oder die Einrichtung eines regelmäßigen Dauerbeitrags nutzen Sie bitte folgende Kontoverbindung: Kath. Pfarrgemeinde Guter Hirt – Konto Nr. DE79 2075 0000 0090 4808 49 Stichwort: Bolivien Eine Spendenquittung kann ausgestellt werden.
Wiedersehen in Bolivien - Bericht über die Bolivienreise im Frühjahr 2020
Während ich den Reisebericht schreibe, befinden wir uns inmitten der Coronakrise mit all‘ ihren Einschränkungen und so kommt es fast ein bisschen unwirklich vor, dass wir noch im Februar/März zu Besuch in Bolivien, in unserer Partnergemeinde San Martín de Porres in Tarija waren und dort drei unbeschwerte Wochen verbringen durften. Im Herbst 2019 haben wir lange mit der Buchung gezögert, da nach den Wahlen im Oktober die politische Lage sehr unruhig war. Nach vielen Gesprächen mit Einheimischen entschlossen wir uns schließlich doch, über Karneval nach Südamerika zu fliegen. Für Hilde Wollstein, Werner Volk und mich war es bereits die vierte Reise nach Bolivien, Monika und Peter Greifenberg waren die „Neulinge“ in unserer Gruppe und für Juan León war es natürlich ein Heimspiel. Wenn man am Flughafen in Tarija ankommt und schon vom Flugzeug aus Menschen mit der Deutschlandflagge und Begrüßungsschildern auf der Aussichtsplattform sieht, ist man gleich so richtig angekommen. Viele langjährige Freunde und Wegbegleiter waren gekommen, um uns zu begrüßen. Beim Schreiben bekomme ich jetzt schon wieder eine Gänsehaut. Untergebracht waren wir in den Gästezimmern im Gemeindehaus und in der benachbarten Casa Sacerdotal, wo die auf dem Land tätigen Pfarrer der Diözese ein Zimmer haben. Das hatte den schönen Vorteil, dass wir sehr viel vom Gemeindeleben mitbekommen konnten und immer unter Menschen waren. Auf diese Weise konnten wir auch den neuen Pfarrer unserer Partnergemeinde, Padre Simón Diaz, gut kennen lernen. Er zeigte sich sehr offen für die Partnerschaftsarbeit und hat sich unglaublich viel Zeit für uns genommen und Ausflüge mit uns gemacht. Seit Beginn der Partnerschaft im Jahr 2003 unterstützen wir den Mittagstisch für Kinder aus sozial schwachen Familien (Comedor). Mit unserer finanziellen Unterstützung werden Lebensmittel für knapp 40 Kinder und das Gehalt der Köchin bezahlt. Mehrfach haben wir mit den Kindern zu Mittag gegessen und uns mit ihnen unterhalten. Dieses Jahr fiel mir besonders auf, wie viel Verantwortung bereits die älteren Kinder für ihre jüngeren Geschwister übernehmen müssen. Während eines Treffens mit den Eltern dieser Kinder wurde deutlich, welch große Hilfe dieser Mittagstisch für die Familien ist und wie dankbar sie dafür sind, dass ihre Kinder dort ein gesundes und preiswertes Mittagessen bekommen. Kurz vor unserer Abreise aus Deutschland wurde vom Bolivienarbeitskreis ein Pizzaessen mit Live-Musik im Pfarrheim veranstaltet. Mit dem Erlös von gut € 520 sollten wir die Kinder zu einem besonderen Tag einladen. Und so mieteten wir für einen Samstagvormittag eine Hüpfburg und ein Trampolin an, die auf dem angrenzenden Sportplatz aufgebaut wurden. Abgerundet wurde der Tag mit einem gemeinsamen Frühstück und Mittagessen sowie einer Malaktion und ganz viel Spaß und Spiel. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle Spender – auch im Namen aller Kinder und ihrer Familien. Besonders schön war es, dass wir bei dieser Aktivität und vielen anderen Gelegenheiten immer auf die Unterstützung von vielen Helfer*innen zählen konnten. Der Kontakt und die persönlichen Begegnungen mit den Menschen sind ganz entscheidend für eine lebendige Partnerschaft. Das können die sozialen Medien nur bedingt bieten. Für uns alle war es natürlich besonders schön, unsere ehemaligen Freiwilligen wiederzutreffen und zu sehen, was aus ihnen geworden ist. So hat Tatiana mittlerweile eine Familie gegründet und zwei Kinder (Hendrick und Antonella). Hugo ist dabei, gemeinsam mit drei Partnern, eine Brauerei aufzubauen. Ohne seinen Freiwilligendienst in Winsen wäre er wahrscheinlich nicht auf diese Idee gekommen, berichtete er. Es ist geplant, dass im Spätsommer dieses Jahres eine neue Freiwillige (Joselyn) aus der Gemeinde San Martín de Porres zu uns nach Winsen kommen wird. Hier muss im Moment noch abgewartet werden, wie sich die Coronakrise weiter entwickelt. Als schönes Zeichen der Verbundenheit haben wir gemeinsam mit jungen und sehr künstlerisch begabten Frauen aus der Gemeinde eine Mauer in der Nähe des Kircheneingangs bemalt. Dargestellt wird ein Weg, den zwei Freunde aus Bolivien und Deutschland gemeinsam gehen. Ich könnte jetzt noch seitenweise über weitere Aktivitäten und Ausflüge schreiben, wie beispielsweise unsere Einladung zum deutschen Abend (wo wir Gulasch für 50 Personen gekocht haben), der Ausflug nach San Isidro (Dieser Ort liegt hoch in den Bergen, zweieinhalb Stunden Fahrtzeit von Tarija entfernt und ist die am weitesten entfernte Gemeinde, die zu unserer Partnergemeinde gehört. Der Besuch bei den Menschen, die dort sehr einsam leben, hat tiefe Spuren in uns hinterlassen) oder die zahlreichen Einladungen zu Familien und Feiern. Immer sind wir auf sehr warmherzige Menschen getroffen. Wir alle sind sehr dankbar, dass wir diese Reise noch machen durften. Sobald wieder Versammlungen im Pfarrheim stattfinden dürfen, erzählen wir gerne im Rahmen eines Kirchencafés mehr von unseren Erlebnissen und zeigen einige Bilder. Bolivienpartnerschaft zu Coronazeiten In Tarija wurden sehr früh, sehr strikte Maßnahmen ergriffen. Das ganze öffentliche Leben wurde lahmgelegt. Schulen und Kirchen wurden geschlossen und die Menschen mussten komplett in ihren Häusern bleiben und durften – bis auf wenige Ausnahmen – nicht zur Arbeit gehen. Je nach Endziffer auf dem Ausweis darf man an einem Vormittag das Haus verlassen, um Einkäufe zu erledigen. Ende April waren offiziell drei Infizierte in der Region erfasst. Da auch der Comedor geschlossen bleiben muss, werden ab dem 11. Mai die Mahlzeiten zum Mitnehmen an die Kinder ausgegeben. Ab diesem Termin treten erste Lockerungen in Tarija ein. Die Gemeinde San Martín de Porres beteiligt sich an einer Solidaritätsaktion der katholischen Kirche in der Diözese Tarija. So wird zu (Lebensmittel-)Spenden aufgerufen. Diese werden in Kisten zu den bedürftigen Familien der Gemeinde gebracht. Da Padre Simón und der Kaplan Padre Gabriel aus unserer Partnergemeinde sehr technikaffin sind, übertragen sie während der Coronakrise den Sonntagsgottesdienst immer über Facebook. Viele von uns nehmen ebenfalls daran teil. Unser Bolivienarbeitskreis in Winsen geht ebenfalls neue Wege und führt Videokonferenzen durch, um Dinge zu besprechen, sich Fotos von der Reise anzusehen oder einfach ein wenig zu plaudern. Anfangs hatten wir immer noch sehr mit der Technik zu kämpfen, was geradezu etwas Komisches an sich hatte, aber mittlerweile werden wir immer besser. Dennoch freuen wir uns alle auf den Tag, wo persönliche Treffen wieder möglich sein werden. Birgit Götte (Bolivienarbeitskreis)